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Phil Hammerstein

 

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„Den Totenschein, Doktor“, versuchte der griesgrämige Mensch Heckler aufzuhalten.
Heckler war verärgert über das unverschämte Auftreten - auch wenn der Kerl einen hohen Rang bekleiden mochte. Er beschloss, ihn zu ignorieren. Schließlich hatte sich der Mann nicht einmal vorgestellt.
Hecklers Versuch, an dem Mann vorbei in den Flur zu treten, scheiterte. Vermutlich hatte dieser die nervtötende Verzögerung vor Augen, die es jedes mal bedeutete, bis irgendein Amtsarzt aufgetrieben wurde. Da konnten zwei Stunden vergehen, in denen die Spurensicherung im wesentlichen herumstand.
„Den Totenschein!“. Diesmal klang es bedrohlich, wie ein Befehl.
Heckler geriet in Kämpferlaune, vielleicht machte ihn auch sein nüchterner Magen aggressiv.
„Ich habe ihren Namen nicht richtig verstanden Herr ...“. Hecklers Stimme klang so sanft, dass es schon an Frechheit grenzte. Sein Kontrahent war blass geworden, sagte aber nichts.
Heckler hielt es nicht für erforderlich, weitere Erklärungen abzugeben und trat entschlossen durch die Tür. Dabei nahm er den starken Nikotingeruch wahr, weil er sehr dicht an dem Mann vorbei musste, ja er drängt ihn förmlich zur Seite.
„Und - was ist jetzt?“
„Amtsarzt“, brummte Heckler im Vorbeigehen ebenso knapp. Im Flur suchte er die Toilette und öffnete eine Türe. Er fand sich versehentlich in einer Art Arbeitszimmer wieder, wo er einen jüngeren Mann am PC aufschreckte.
„Entschuldigung, ich suche die Toilette“, murmelte Heckler.
„Nächste Türe rechts, vor dem Ausgang“, war die Antwort. Der Mann war blass und sehr nervös. Er hatte offensichtlich angestrengt am PC gearbeitet.
Beim Händewaschen dachte Heckler darüber nach, wie jemand angesichts eines Gewaltverbrechens seiner Arbeit am PC nachgehen konnte. Der junge Mann hatte einen Eindruck erweckt, als sei er auf frischer Tat ertappt worden.
Im Flur lauerte der Griesgram und bellte ihm nach: „Das wird Konsequenzen haben!“.
Heckler beachtete ihn nicht weiter. Er sah keine Notwendigkeit, mit jemandem zu diskutieren, der sich nicht einmal vorgestellt hatte. Die in der Eingangshalle ratlos Herumstehenden blickten erschrocken oder verlegen grinsend hoch, als Heckler Richtung Ausgang stürmte. Einige schienen fast unberührt, anderen stand das Entsetzen über das abscheuliche Verbrechen ins Gesicht geschrieben. Eine ältere Frau weinte unentwegt und schien völlig aufgelöst.
Bis hierher hatte sich Heckler nicht für das Ambiente interessiert. Im Hinausgehen bemerkte er jedoch, welch nobles Anwesen Ort dieses Verbrechens geworden war. Draußen studierte er die Geschäftstafel, die er bei seinem Eintreffen nur flüchtig wahrgenommen hatte.
´MedicAid - International´ stand da. An den Klingelknöpfen wiederholte sich die Firmenbezeichnung und dann stand da noch ´J. van Gemmeren´.
In diesem Moment wurde Heckler - etwas zu spät - bewusst, dass er vermutlich einen recht prominenten Toten vorgefunden hatte. Irgendwie war ihm der Mann gleich bekannt vorgekommen. Da er sich selbst einmal für ein Entwicklungshilfeprojekt interessiert hatte, war ihm die Hilfsorganisation ´MedicAid´ mit ihrem Gründer Jan van Gemmeren durchaus bekannt.
Van Gemmeren hatte die Organisation vor gut zwanzig Jahren aufgebaut und war der geistige Vater dieses mittlerweile weltweit operierenden Großunternehmens. Das Spendenaufkommen belief sich inzwischen auf einen dreistelligen Millionenbetrag. Die autokratische Führung der Organisation durch van Gemmeren war vor einigen Jahren heftig kritisiert worden, in der Öffentlichkeit wurde mehr Transparenz bei der Vergabe der Gelder und der Projektförderung überhaupt angemahnt. Daraufhin war das Ganze in eine Stiftung umgewandelt worden, die durch einen Stiftungsrat kontrolliert wurde. Der Stiftungsrat war eine Ansammlung hochrangiger Vertreter aus Wirtschaft und Kultur, Vorsitzender war van Gemmeren.
Als Heckler diese Zusammenhänge so nach und nach erinnerte, wurde ihm auch klar, dass er wegen des Totenscheines noch reichlich Ärger bekommen würde - auch dann, wenn er sich formal korrekt verhalten hatte. Nun ja, er würde es überstehen.